Computerized Physician Order Entry (CPOE) bezeichnet die elektronische Arzneimittelverordnung, also die elektronische Erfassung und Verarbeitung von therapeutischen Anweisungen eines Arztes. Ziel ist die Steigerung der Medikationssicherheit und die Reduktion von Kosten.
Abgrenzung
Im Deutschen kann „Computerized Physician Order Entry“ mit elektronischer Arzneimittelverordnung übersetzt werden. Computerized Physician Order Entry bezieht sich im engeren Sinne nur auf Arzneimittelverordnungen. Nur selten werden damit auch andere ärztliche Anordnungen gemeint wie z. B. Anordnungen von Laboruntersuchungen oder radiologischen Untersuchungen. In diesem Fall wird CPOE auch als „Computerized Provider Order Entry“ ausgeschrieben.
Bedeutung
Medikationsfehler können in allen Schritten des Medikationsprozesses auftreten. Am häufigsten sind Fehler in der Verordnung, wie Doppelverschreibungen, Nicht-Berücksichtigung von notwendigen Dosisanpassungen, Übersehen von Gegenanzeigen oder Wechselwirkungen oder schlicht Lesefehler, gefolgt von Fehlern bei der Anwendung bzw. Einnahme.[1]
Etwa 50 % aller Medikationsfehler gelten als vermeidbar. Alleine in Deutschland sterben nach Schätzung pro Jahr bis zu 58.000 Patienten aufgrund von Fehlern in der Arzneimitteltherapie.[2]
Entscheidungsunterstützende Funktionen (CPOE-CDS)
CPOE-Systeme können entscheidungsunterstützende Funktionen anbieten und so erheblich zur Medikationssicherheit beitragen.[3] Dazu gehören computerbasierte Unterstützungsmöglichkeiten für den Arzt, inkl. der elektronischen Überprüfung der Verordnung,[4][5][6][7] eine Funktion, die in sogenannten „CPOE-CDS“-Systemen integriert ist.[8] Das „CDS“ („clinical decision support“) bietet dem Arzt durch Warnungen, Eingabeaufforderungen und Anweisungen grundlegende Entscheidungsunterstützung bei:
Überprüfung auf Vorliegen einer Allergie
Anbieten von Standarddosierungen
Unterstützung bei der Umstellung auf hausintern empfohlene Medikamente (Positivliste)
Prüfung auf Doppelverordnung des gleichen Arzneimittels oder Arzneimittelwirkstoffes
Unterstützung bei der Dosisberechnung unter Berücksichtigung von Alter, Gewicht, Körperoberfläche, Nierenfunktion etc.
Unterstützung bei der Anforderung von Laboruntersuchungen zum Monitoring der Wirkung
Überprüfung auf Kontraindikationen
Überprüfung auf das Vorliegen einer Schwangerschaft.
Verbreitung
Seit dem Aktionsplan für Patientensicherheit durch das Bundesministerium für Gesundheit im Jahr 2007 wurde eine Vielzahl von Aktivitäten zur Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland initiiert und koordiniert.[9]
Laut dem IT-Report Gesundheitswesen setzten 2012 27 % aller deutschen Krankenhäuser eine rechnergestützte Dokumentation der Arzneimitteltherapie ein. Ein Viertel der befragten Krankenhäuser gab dabei an, dass in zumindest einer organisatorischen Einheit auch arzneimittelbezogene Alarmmeldungen (z. B. Allergien, Wechselwirkungen) im Einsatz sind.[10]
Die Verbreitung in Deutschland ist damit geringer als in den USA, wo schon 2008 34 % der Akutkrankenhäuser ein CPOE-System im Einsatz hatten.[11]
Studienlage
Zahlreiche Studien und Übersichtsarbeiten deuten darauf hin, dass durch die elektronische Arzneimittelverordnung Medikationsfehler reduziert und damit die Sicherheit der Patienten deutlich verbessert werden kann.[6][7][12][13] Zu den positiven Auswirkungen gehören:
Verbesserung der Lesbarkeit von Verordnungen
Verbesserung der Vollständigkeit von Verordnungen
Bessere Übersicht über die Medikationshistorie eines Patienten
Unterstützung von Dosisberechnungen
Unterstützung durch Warnmeldungen (z. B. bei Wechselwirkungen, Allergien, Überdosierung)
Verbesserung der Medikationssicherheit.
Insgesamt können CPOE-Systeme damit den Medikationsprozess effektiv unterstützen und die Medikationssicherheit verbessern.
Andere Studien weisen auf mögliche Probleme bei der Planung, Einführung und Nutzung von CPOE-Systemen hin. Zu den Problemen und Risiken gehören:[4][14][15][16]
Zusätzlicher Zeitaufwand für die Dokumentation
Fehlende Benutzerfreundlichkeit der CPOE-Systeme
Unzureichende Ausstattung mit mobilen Werkzeugen
Ungenügende Schulung der CPOE-Benutzer
Fehler in der Parametrierung des CPOE-Systems (z. B. klinisches Arbeitsplatzsystem)
Ungenügende Anpassung der Prozesse bei Einführung des CPOE-Systems
Fehlende Schnittstellen zu anderen IT-Systemen
Verringerung der mündlichen Kommunikation zwischen involvierten Personen
Überflutung mit klinisch bedeutungslosen Warnmeldungen
Fehler in der Software
Zu starkes Vertrauen in die Empfehlungen des CPOE-Systems
CPOE-Systeme können bei unzureichender Einführung und Nutzung damit den Medikationsprozess stören, die Medikationssicherheit negativ beeinflussen und damit unter Umständen auch die Mortalität von Patienten erhöhen.[17]
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↑Yong Y. Han, Joseph A. Carcillo, Shekhar T. Venkataraman, Robert S.B. Clark, R. Scott Watson, Trung C. Nguyen, Hülya Bayir, Richard A. Orr: Unexpected Increased Mortality After Implementation of a Commercially Sold Computerized Physician Order Entry System. In: Pediatrics. Band116, Nr.6, 1. Dezember 2005, ISSN0031-4005, S.1506–1512, doi:10.1542/peds.2005-1287, PMID 16322178 (psu.edu [PDF; abgerufen am 23. Juni 2019]).