IRAND. International Research and Archives Network Historical Children’s and Youth Drawings
Der Forschungsverbund International Research and Archives Network for Historical Children’s and Youth Drawings (IRAND) konstituierte sich 2017[1]. Im November des Jahres fand die Gründungskonferenz mit dem Titel „Childhood in Danger – Zeichnungen von Kindern und Jugendlichen des 20. Jahrhunderts“ als Kooperationsprojekt der Universität Paderborn und der Kunstakademie Düsseldorf statt.[2]
Initiiert wurde das Projekt von Kunibert Bering und Jutta Ströter-Bender. Das Netzwerk verbindet inzwischen weltweit Universitäten, Archive, Sammlungen und Forschungsinstitute mit dem Ziel, gestalterische Arbeiten von Heranwachsenden grundlegend zu erforschen und diese im Sinne der UNESCO Friedenspädagogik mit Ausstellungen und pädagogischen Materialien wie Museumskoffern zu vermitteln[3]. An der Universität Paderborn wurde im Fach Kunst dazu 2018 ein Promotionsnetzwerk gegründet. Seit 2020 wird der internationalen Provenienzforschung mit Blick auf die Geschichte von bekannten wie verschollenen Kinder- und Jugendzeichnungen ein besonderer Schwerpunkt gewidmet.
Historische Zeichnungen von Kindern und Jugendlichen stellen bedeutende Dokumente für die Entstehung und Wandlung von Weltbildern dar. Dies gilt insbesondere für Zeichnungen, die in den Krisenzeiten des 20. Jahrhunderts – zwei Weltkriege, Völkermorde, Aufstände, Verfolgungen und Vertreibungen, aber auch in Friedenszeiten, im schulischen Leben und im Alltag entstanden. Die Zeichnungen von Kindern und Jugendlichen können daher auch wichtige Elemente für ein kulturelles Gedächtnis darstellen.
Vor allem die europäische Museums- und Archivlandschaft ist reich an Sammlungen von historischen Kinder- und Jugendzeichnungen aus den verschiedenen Abschnitten des 19. und 20. Jahrhunderts. Schriftstücken gleich, vermitteln die mit der Hand verfassten Kinderzeichnungen auf unterschiedlichsten Ebenen historische Sachverhalte, Ereignisse und Kontexte aus der Perspektive von Heranwachsenden an den Schnittstellen von Bildfindung und Schrift. Die Entstehungsgeschichte von Sammlungen und die Provenienzen der Zeichnungen ist dabei kultur- wie bildungspolitisch äußerst vielfältig und beginnt partiell schon im frühen 20. Jahrhundert. Kinder- und Jugendzeichnungen sind nicht in den offiziellen Kanon der Kunstgeschichte und des Kunstmarktes integriert.
2020 wurde der Archivverbund aufgenommen als: Cooperating Institution of the UNESCO Memory of the World Sub-Committee on Education and Research (SCEaR). International Advisory Committee (IAC)[4].
In Kooperation mit dem Musée National de l`Éducation in Rouen und der französischen UNESCO-Kommission für das Weltdokumentenerbe initiierten die Koordinator*innen von IRAND die Aufnahme bedeutender europäischer Kinder- und Jugendzeichnungssammlungen in das Register des UNESCO-Weltdokumentenerbes. Am 10. April 2025 wurde dieser Antrag in Paris durch das Exekutivkomitee des "Memory of the World"-Programms unter dem Titel "Zeichnungen und Schriften von Kindern und Jugendlichen in Kriegszeiten in Europa 1914-1950" angenommen. Das vorliegende Gesamtkonvolut umfasst 17 bemerkenswerte Sammlungen von Zeichnungen, Malereien sowie Schriften und zwei Jugendzeitungen aus verschiedenen europäischen Ländern, darunter England, Frankreich, Deutschland, Polen, der Schweiz, Spanien (Kanada mit den National Archives of Ontario) und Tschechien. Die Dokumente legen Zeugnis ab von Schlüsselereignissen aus Kriegszeiten und deren Folgen und sind als Friedensbotschaften zu verstehen. Die Einstufung als Weltdokumentenerbe verleiht den Quellen eine zusätzliche Signifikanz, da sie individuelle und kollektive Erfahrungen einer von Gewalt und Umbrüchen geprägten Epoche evident machen. Sie eröffnen eine neue Perspektive auf Geschichte und bieten seltene Einblicke in die kindliche Wahrnehmung existenzieller Ereignisse. Es handelt sich um ein Kulturgut, das sich aus den demokratischen Traditionen städtischer und ländlicher Kulturen Europas zusammensetzt. Dieses Erbe wurde von Jungen und Mädchen unterschiedlichen Alters und aus verschiedenen sozialen Schichten geschaffen und bietet universelle Zeugnisse verschiedener Kulturen. Darüber hinaus gewährleistet es die Verfügbarkeit bedeutsamer Überlieferungen für kommende Generationen.
Die Aufnahme in das Memory of the World ermöglicht neue Perspektiven in der wissenschaftlichen Erforschung, Vernetzung und zukünftigen Vermittlung, da die Kinder- und Jugendzeichnungsforschung bisher oftmals von nationalen Traditionen und sprachlichen Eingrenzungen bestimmt wurde.
Zeichnungen und Schriften von Kindern und Jugendlichen in Kriegszeiten in Europa 1914-1950 - Deutsche UNESCO-Kommission
Homepage von IRAND: ChildArtHeritage (canva.site)
Institutionen
Mitglieder des Netzwerkes sind:
England
National Arts Education Archive YSP, The Lawrence Batley Centre, Wakefield[5]
Deutschland
BBF | Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, Abteilung des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Berlin[6]
Musée National de l’Éducation, Rouen, Frankreich[15]
Kanada
Archives of Ontario, Canada (Alexander Albert MacLeod fonds (F 126). Alexander Albert MacLeod children’s drawings from the Spanish Civil War, created between 1936 and 1939)[16]
Centre for Documentation and Research on the History of Schoolbooks and Children’s Literature / CESCO; University of Macerata[18]
Museo della Scuola e dell’Educazione „Mauro Laeng“, Università degli Studi Roma Tre, Rom[19]
Nigeria
National Museum Lagos and National Museum Owere
Spanien
Hezkuntzaren Teoria eta Historica Saila, Donostia-San Sebastián[20]
Schweiz
Pestallozianum, Archiv der Kinder- und Jugendzeichnung c/o PH Zürich[21]
ETH ZÜRICH; Archiv für Zeitgeschichte, ARCHIV FÜR ZEITGESCHICHTE[22]
Kinderdorf Pestalozzi, Trogen
Ungarn
Andrea Kárpáti. Head, Visual Culture Research Group of the Hungarian Academy of Science, UNESCO Chairholder, Chair for Multimedia in Education. Corvinus University of Budapest, Institute of Communication and Sociology
Vereinigte Staaten
Special Collections & Archives, UC San Diego Library[23]
Literatur
Der Katalog zur Aufnahme in das UNESCO Weltdokumentenerbe2025: Kunibert Bering, Jutta Ströter-Bender: Blicke auf die Welt. Zeichnungen von Kindern und Jugendlichen des 20. Jahrhunderts in Krieg und Frieden (1914-1950). Athena | wbv, Bielefeld 2025, ISBN 9783763978243
Jürgen Drygas; Jutta Ströter-Bender (Hg): 1914-1915. Der ferne Krieg so nah. Die Wilhelmsburger Kinderzeichnungen zum Ersten Weltkrieg. Mit Gastbeiträgen von Prof. Dr. em. Kunibert Bering; Prof. Dr. Carlyn Kay, IRAND SERIES VOLUME I, E-Book, Epubli 2022, ISBN 978-3-7549-5099-9.
Sarah Kass: Kinderzeichnungen aus dem Ghetto Theresienstadt (1941–1945). Herausgegeben vom Jüdischen Museum in Prag. Kontext: Kunst. Vermittlung. Kulturelle Bildung. Bd. 13, Tectum Verlag: Marburg 2015.
Juliane Kurz: Schrift und Linien. Ein Beitrag zur historischen Kinder- und Jugendzeichnungsforschung: Das Saarbrücker Danke-Buch von 1946. Kontext: Kunst. Vermittlung. Kulturelle Bildung, Textum Verlag, Baden-Baden 2025.
Anna Lehninger: Vor-Bilder. Nach-Bilder. Zeit-Bilder: Kommerzielle Zeichenwettbewerbe für Kinder in der Schweiz, 1935–1985.(Populäre Literaturen und Medien) 7, Chronos Verlag, Zürich 2015.
Claudia Nießen: Die kunstpädagogische Konzeption am Barkenhoff, Worpswede. Eine Erinnerung an das Leben der Arbeiterkinder. Kontext: Kunst. Vermittlung. Kulturelle Bildung. Bd. 33, Tectum Wissenschaftsverlag, Baden-Baden 2021.
Tony O’Herlihy; Jutta Ströter-Bender; Kulturamt Saarbrücken (Hg.): Das Danke-Buch aus Saarbrücken, 1946. Eine Erinnerung an den Hungerwinter.Zeichnungen, Briefe und Gedichte von Mädchen in der Nachkriegszeit. Kontext: Kunst. Vermittlung. Kulturelle Bildung, Bd. 24, Tectum Verlag, Baden-Baden 2020.
Manon Pignot; Anne Tournieroux (Ed.): Enfants en guerre, guerre à l'enfance ? - De 1914 à nos jours. ANAMOSA, Paris 2024
Manon Pignot: La Guerre des Crayons. Quand les petits Parisiens dessinaient la Grand Guerre. Parigramme, Paris 2004.
Antoine Prost; Yves Gaulupeau: Dessins d’exode. Tallandier. Paris, 2003.
Christoph Scholter: Die Kinderzeichnung als Phänomen kindlicher Ausdrucksweisen im Kontext von Medien- und Spielwelten von 1980–1989 in der BRD. Eine Analyse historischer Kinderzeichnungen. Tectum Verlag / Nomos Wissenschaftsverlag. Baden-Baden, 2016.
Jutta Ströter-Bender (Hg.): Das Erbe der Kinder. The Children´s Heritage. Provenienzforschung und Sammlungsgeschichte von Kinder- und Jugendzeichnungen. Museen, Archive, private Kollektionen und „verschwundene Sammlungen“. Provenance Research and the History of Children’s and Youth Drawings Collections. Museums, archives, private holdings and “lost collections”. Kontext: Kunst. Vermittlung. Kulturelle Bildung, Bd. 30, Tectum Verlag, Baden-Baden 2021.
Jutta Ströter-Bender: Der Malwettbewerb Circus Krone, 1958 – Ein kulturelles Erbe der Nachkriegsgeneration. Mit Gastbeiträgen von Prof. em. Dr. phil. Kunibert Bering; Dr. phil. Larissa Eikermann; Prof. Dr. Iris Kolhoff-Kahl; Dr. phil. Sabine Weichel-Kickert. Kontext: Kunst. Vermittlung. Kulturelle Bildung, Bd. 34, Tectum Wissenschaftsverlag, Baden-Baden 2022.
Jutta Ströter-Bender; Larissa Eikermann; Susanne Völker (eds): Die Kinder und Jugendzeichnungen der Brüder Grimm und ihrer Familie. The Children´s and Youth Drawings of the Brothers Grimm and Family. German / English. Kontext: Kunst. Vermittlung. Kulturelle Bildung, Bd. 38, Tectum Verlag, Baden-Baden 2023.
Jutta Ströter-Bender: Historische Kinder- und Jugendzeichnungen mit Museumskoffern vermitteln. In: Kunibert Bering (Hg.): Kunstunterricht und Bildung. Kulturelles Gedächtnis – Globalität – innovative Perspektiven. Athena | wbv, Bielefeld 2020, S. 201–2013.
Jutta Ströter-Bender: Koloniale Motive in historischen Kinder- und Jugendzeichnungen. In: Zeitschrift IMPULSE 28. Athena | wbv, Bielefeld 2020, S. 17–27.
Jutta Ströter-Bender: Schrift in historischen Kinder- und Jugendzeichnungen. In: Zeitschrift IMPULSE 28. Athena | wbv, Bielefeld 2020, S. 29–35.
Jutta Ströter-Bender: Kobolde in Kriegszeiten. Mädchenzeichnungen aus den Jahren 1939/40–1943. In: Kolhoff-Kahl, Iris (Hg.): Odradek. Fetzen, Fussel, Fitzen. Erinnerungsschrift für Helga Kämpf-Jansen. Kontext: Kunst. Vermittlung. Kulturelle Bildung, Bd. 23, Tectum Verlag, Nomos Wissenschaftsverlag, Baden-Baden 2020, S. 11–22.
Jutta Ströter-Bender, Annette Wiegelmann-Bals (Hg.): Historische und aktuelle Kinderzeichnungen. Eine Forschungswerkstatt. Kontext Kunst. Vermittlung. Kulturelle Bildung, Band 15, Tectum Verlag, Marburg 2017.